Zum 60. Geburtstag Helmut
Zenkers
Am
11. Januar 2009 jährt sich der Geburtstag des 2003
verstorbenen österreichischen Künstlers Helmut
Zenker zum 60. Mal. Zenker war über rund 35 Jahre
ein einflussreicher Schriftsteller, Autor, Regisseur,
aber auch Verleger und Musikproduzent - und außerdem:
Kommunist. Letzteres war ihm, wie in aller Regel ebenso
hübsch wie abwegig formuliert wird, "in die
Wiege gelegt". Der Vater, Karl Zenker, der 1991
verstarb, war gelernter Maschinenschlosser und langjähriger
Landessekretär der niederösterreichischen
KPÖ; die Mutter, Friederike ("Friedl",
geb. Papst), die vor wenigen Tagen ihren 85. Geburtstag
feiern konnte, war Sekretärin bei der OMV und Betriebsrätin
für den Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB).
Geboren wurde Helmut Karl Zenker in Sankt Valentin (Niederösterreich).
Das Geburtsjahr 1949 machte ihn zum potenziellen 68er.
Dementsprechend blieben ihm zwar die Eigenschaften des
provokanten Kritikers alles Bestehenden, auch der KPÖ
seiner Eltern, aber Zenker wäre es nie in den Sinn
gekommen, wie viele Jahrgangs- und Künstlerkollegen
den proletarischen und revolutionären Klassenstandpunkt
zu verlassen und zum emotionslinken und systemimmanenten
wie -internen "Weltverbesserer" herabzusinken.
Im Gegenteil: Zenker gehört zu jenen jungen Autoren,
die Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre den Klassenstandpunkt
in der österreichischen Gegenwartsliteratur wieder
zur Geltung brachten, was ansonsten vor allem Gernot
Wolfgruber, einem persönlichen Freund Zenkers,
besonders authentisch gelang.
Natürlich haben die bürgerlichen Verlage damals
nicht gerade auf die jungen Arbeiterautoren gewartet
und sie mit offenen Armen empfangen - sie mussten sich
selbst organisieren. Sie taten dies u.a. 1973 mit der
Schaffung der Grazer Autorenversammlung, wo Zenker -
freilich gewissermaßen am "linken Rand"
- Gründungsmitglied war, als progressives Gegenprojekt
zum konservativen bis reaktionären österreichischen
PEN-Club. Bereits 1969 hatte Zenker gemeinsam mit Peter
Henisch die Literaturzeitschrift "Wespennest"
gegründet, bis 1976 blieb er Herausgeber. Diese
"Zeitschrift für brauchbare Texte", so
der etwas lakonische Untertitel, diente als Publikationsorgan
mit zweierlei Abgrenzung, nämlich gegen den bieder-linken
Moralismus einerseits, gegen den bürgerlichen Formal-Avantgardismus
andererseits.
Nachdem
Zenker zunächst auch als Lehrer beruflich tätig
gewesen war, widmete er sich ab 1973 nur noch der Schriftstellerei.
In diesem Jahr erschien, nach Lyrik und Erzählungen,
auch Zenkers erster Roman, "Wer hier die Fremden
sind", ein Prototyp des sozial- und gesellschaftskritischen,
neuen österreichischen Realismus, der in konsequentester
Ausprägung ein parteilicher Realismus in Sinne
Bertolt Brechts ist. (Zu den wichtigsten Vertretern,
die sich diesem Realismus in den 70er Jahren verpflichtet
sahen, zählten - neben Zenker und Wolfgruber -
Franz Innerhofer, Gustav Ernst oder Josef Haslinger,
auch Peter Turrini und Michael Scharang standen dieser
Richtung nahe.) Im folgenden Jahr, 1974, erschien Zenkers
zeitgeschichtlicher Roman "Kassbach oder Das allgemeine
Interesse an Meerschweinchen", in dem das Problem
des Neofaschismus thematisiert wurde. Das Buch wurde
in 13 Sprachen übersetzt und erreichte für
österreichische Autoren ungeahnte und ungewöhnliche
Auflagezahlen in Millionenhöhe - nämlich in
russischer Übersetzung in der UdSSR. 1978 wurde
"Kassbach" von Peter Patzak für das Kino
verfilmt, bei der Berlinale gab es dafür 1979 den
UNESCO-Preis, ebenso eine Auszeichnung bei den Moskauer
Filmfestspielen. Es folgten weitere gesellschaftskritische
Romane und Erzählungen Zenkers, darunter "Das
Froschfest" (1977), "Der Gymnasiast"
(1978) und "Die Entfernung des Hausmeisters"
(1978) sowie, nach einer literarischen Schaffenspause,
1988 der Roman "Hinterland", in dem das Thema
Neofaschismus aktualisiert neu aufgegriffen wurde. Zwischendurch
schrieb Zenker auch erfolgreiche Kinderbücher und
-geschichten wie "Herr Nowak macht Geschichten"
(1976) oder "Der Drache Martin" (1977); das
letztere Buch wurde ebenfalls in mehrere Sprachen übersetzt
(in insgesamt 23 Sprachen sind Zenker-Bücher erschienen).
1976 wurde Zenkers Theaterstück, "Wahnsinnig
glücklich", ein Volksstück in der Tradition
Ödön von Horvaths, am Wiener Volkstheater
uraufgeführt.
Einem wirklich breiten Publikum wurde Zenker jedoch
nicht durch sein bemerkenswertes literarisches Werk
bekannt, sondern durch die Erfindung des Polizeimajors
Adolf Kottan. Zunächst als Erzählung und Hörspiel
konzipiert und umgesetzt, wurde 1976 vom ORF der erste
"Kottan"-Fernsehfilm, "Hartlgasse 16a",
mit Patzak als Regisseur produziert und ausgestrahlt
- der Rest ist (Fernseh-)Geschichte. Kottan markiert
die Einführung eines komplett neuen Ermittlertyps.
Im "Kottan" ermittelt nicht mehr der intellektuelle
und raffinierte Oberinspektor, der Herr Hofrat mit klischeehafter
Wiener Galanterie, sondern ein wahrhaftiger, in seiner
Herkunft proletarischer Kieberer, mit all seinen Schwächen
und Unzulänglichkeiten, was ihn nicht mehr zum
staatstragenden polizeilichen Lehr- und Schulmeister,
sondern zum integralen Teil oder zumindest zum Spiegelbild
der einfachen, der normalen Bevölkerung macht (und
Selbiges gilt natürlich für das Handlungsumfeld
und das soziale Milieu "Kottans"). Der gewählte
Weg der dargebotenen Umsetzung war der einer Parodie,
jedoch weniger auf die Polizeiarbeit an sich, sondern
vielmehr auf die gängige Art und Weise ihrer idealisierten
Darstellung wie bei "Marek" oder "Derrick".
Die Empörung war 1976 sofort groß, die Polizeigewerkschaft
und die bürgerlichen Parteien protestierten scharf
gegen die Ausstrahlung der "Kottan"-Filme,
sie seien niveaulos und ordinär, und vor allem
würde die Polizei herabgewürdigt. Schließlich
schaffte es Kottan bis in den österreichischen
Nationalrat, als der damalige SPÖ-Innenminister
Erwin Lanc seitens der ÖVP mit einer parlamentarischen
Anfrage bezüglich der Verächtlichmachung der
Staatsorgane durch die "Kottan"-Filme konfrontiert
wurde. Bis 1983 wurden 19 Folgen von "Kottan ermittelt"
gedreht und gesendet, 1981 gab es zudem den "Kottan"-Kinofilm
"Den Tüchtigen gehört die Welt",
der konzeptionell aber deutlich abseits der eigentlichen
"Kottan"-Reihe zu sehen ist: Hier geht es
konkret um die kriminellen Machenschaften des Komplexes
Politik-Wirtschaft, die "Kottan"-Figur tritt
vollständig in den Hintergrund. Heute zählt
"Kottan ermittelt" zu den Klassikern der österreichischen
Fernsehgeschichte, die Kritiker von einst sind heute
fast durchwegs Befürworter (und nachträglich
natürlich immer schon solche gewesen...). Die "Kottan
ermittelt"-Filme wurden im gesamten deutschsprachigen
Raum gesendet, d.h. außer in Österreich auch
in der BRD (das ZDF stieg später als Co-Produzent
ein), in der DDR und in der Schweiz, aber auch in einigen
anderen Ländern, so z.B. in der Tschechoslowakei
und in Ungarn, ja sogar in der Türkei und in Südafrika.
Trotzdem starb der Fernseh-"Kottan" 1983 einen
plötzlichen Tod, sechs weitere bereits verfasste
Drehbücher wurden vom ORF damals überraschend
auf Eis gelegt. Die sozialdemokratischen Kreisky-Regierungen
durfte Kottan offenbar nicht überleben.
Zeitlebens
war "Kottan" nur Vorwand, jede Krimihandlung
lediglich Transportmittel für tatsächliche
Inhalte, die Zenker am Herzen lagen. "Kottan"
war immer Gesellschafts- und Sozialkritik - und somit
eine ernste Angelegenheit. Die durchaus humoristische
Darstellung (und auch und gerade die Überzeichnung)
einfacher, "kleiner Leute", mit ihrer Unzufriedenheit,
Falschheit, Dummheit, z.T. Bösartigkeit usw. -
kurz: die Darstellung ihres ständigen Scheiterns
an der Wirklichkeit -, wie dies insbesondere zu Beginn
der "Kottan"-Entwicklung vorherrschte, sollte
nicht diese Leute desavouieren und denunzieren, sondern
die Verhältnisse, in denen sie leben, leben müssen,
und die ihr Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich
bestimmen. Diese Leute sind nur ein Produkt, regelrechte
Opfer der Gesellschaft, die unbewusst neben ihren Interessen
leben; auch bei diesen Menschen gilt, dass ihr Sein
ihr Bewusstsein bestimmt. Trotzdem war es für "Kottan"
schließlich auch richtig, den reinen "Kleine
Leute"-Krimi sukzessive zu verlassen.Das Milieu
blieb erhalten, aber der Hintergrund, die Verantwortlichkeiten
vermeintlicher gesellschaftlicher, d.h. ökonomischer
und politischer Eliten wurde deutlicher, auch deren
tragende Verknüpfung zur direkten oder zumindest
indirekten Kriminalität. Die Gesellschaftskritik
wurde im Verlauf der Serie damit etwas direkter. Aber
gleichzeitig wurde diese Direktheit wieder konterkariert,
oder vermeintlich konterkariert, nämlich durch
den fortschreitenden Hang zum Komisch-Absurden, zum
Surrealen, den es bei "Kottan" im Laufe der
Jahre immer mehr gab. Aber auch dies beförderte
in Wirklichkeit dasselbe Ziel. Das Absurde ist einerseits
per se antiautoritär - und die Figur "Kottan"
ist immer antiautoritär, wenn es nicht gerade um
Kottans eigene, aber eben bloß geborgte dienstliche
oder vermeintliche persönliche, familiär-private
Autorität geht. Und andererseits muss man die parodistischen,
scheinbar fast klamaukhaften Elemente im "Kottan"
als Verfremdungseffekte sehen und verstehen, die reale
gesellschaftliche Entfremdungsprozesse widerspiegeln.
"Kottan" war also, bei allem "Wiener
Schmäh" und aller Skurrilität, immer
höchst politisch und gesellschaftlich parteiergreifend
- die Konservativen und die Rechten wussten schon ganz
genau, warum sie sich über "Kottan" derartig
aufregen mussten.
"Kottan" überlebte sein Bildschirm-Ende
in Buchform. Seit 1979 und bis in die 90er Jahre sind
bei verschiedenen Verlagen, in Anthologien und in Zeitschriften
immer wieder "Kottan"-Romane und -Erzählungen
erschienen. Im Wiener "Drehbuchverlag" liegen
diese mittlerweile gesammelt als Bücherreihe vor.
Zwei Jahre lang erschien in der "Kronen Zeitung",
einst einer der größten "Kottan"-Kritiker,
auch ein täglicher "Kottan"-Cartoon,
wozu Zenker die Ideen und Vorlagen lieferte. Doch "Kottan"
blieb nicht ohne interne Konkurrenz, 1989 erfand Zenker
die Privatdetektivin "Minni Mann", die ebenfalls
in mehreren Büchern investigativ tätig wurde
(die "Minni Mann"-Romane wurden sogar ins
Japanische übersetzt und veröffentlicht).
Zwei weitere (private) Ermittler, die Zenker in Buchform
aktiv werden ließ, waren Gauxi Himmel (ab 1987)
und Rummy Blach (ab 1989).
Quasi als "Spin-off" der "Kottan"-Filmreihe
entstand ein weiteres künstlerisches Betätigungsfeld
Helmut Zenkers. Die in der Serie auftretende Hobby-Band
der Ermittler, "Kottan's Kapelle", trat ins
wirkliche Leben und veröffentliche unter Mitwirkung
von Lukas Resetarits, Franz Suhrada, Kurt Weinzierl,
C. A. Tichy, Walter Davy und anderen 1983-1986 mehrere
Alben, für relevante Teile der Umsetzung zeichnete
Willi Resetarits verantwortlich. Mit der Single "Rostige
Flügel", die gemeinsam mit dem Fußballspieler
Hans Krankl aufgenommen wurde, landete man 1984 einen
Überraschungshit, der heute zum Standardinventar
des "Austro-Pop" gehört. Doch nicht nur
die Songtexte für "Kottans Kapelle" stammen
von Zenker, sondern ab 1985 kümmerte er sich auch
um die weitere musikalische Karriere von Hans Krankl
(Künstlername: Johann K.), für den Zenker
mehrere Lieder schrieb, darunter eine wienerische Version
von Paul Ankas "Lonely Boy", die es 1986 bis
auf Platz 2 der österreichischen Charts schaffte
und damals nur an Falcos "Jeanny" nicht vorbeikam.
Auch das Album "Comeback" des ehemaligen Boxeuropameisters
Hans Orsolics wurde von Zenker produziert und in seinem
eigenen Plattenlabel, "Ron Records", veröffentlicht,
in dem auch Kabarettprogramme von Lukas Resetarits sowie
Songs von Wiener Wunder und Chris Wolf erschienen. Kurz
vor seinem Tod nahm Helmut Zenker schließlich
selbst als Interpret einige Musiknummern auf, das Konzeptalbum
"Kopfstand" wartet bislang aber noch auf seine
Veröffentlichung. Im Wiener "Planet Music"
und im "Böhmischen Prater" ist Zenker
im Laufe des Jahres 2002 jedoch bereits mit seiner "Travellin'
Band" live aufgetreten.
In den 70er und 80er Jahren zeichnete Zenker als Autor
für nicht weniger als 15 Hörspiele verantwortlich
(zum Teil gemeinsam mit Gernot Wolfgruber) sowie für
mehrere Fernseh- und Kinofilme, darunter "Santa
Lucia" (1978), "Jetzt oder nie" (1980),
"Match" (1980), "Tiger - Frühling
in Wien" (1984, jeweils inszeniert von Peter Patzak),
"Schwitzkasten" (1978) und "Die Artischocke"
(1983, jeweils unter der Regie von John Cook). 1988/89
wurde Zenkers Krimiserie "Der vierte Mann"
gedreht und ausgestrahlt.
1989
trat Zenker erstmals selbst als Regisseur hinter die
Kamera: Er produzierte für den ORF das TV-Monodrama
Playback mit Lukas Resetarits. Indirekt
daraus entwickelt wurde eine längere Reihe, bei
der Zenker ebenso nicht nur als Autor, sondern auch
als Regisseur tätig war: Von 1990 bis 1998 entstanden
nicht weniger als 58 Folgen der anarchischen Comedy-Reihe
"Tohuwabohu", die heute ebenfalls Kultstatus
genießt und auf eine endlose Liste prominenter
Gastauftritte verweisen kann. 1998 inszenierte Zenker
zudem eine Bühnenversion von "Tohuwabohu",
die Musikrevue "Give Cheese a Chance" hatte
1998 im Wiener Metropol Premiere. Die Fernsehserie "Tohuwabohu"
erhielt internationale Auszeichnungen, so den New York
Video Award (1994), als ORF-Beitrag zur "Goldenen
Rose von Montreux" konnte 1992 ein zweiter Platz
verbucht werden. Bei einem internationalen TV-Festival
am ungarischen Plattensee wurde "Tohuwabohu"
1993 als beste Comedy-Reihe und für die beste Regie
prämiert.
Mit dem amerikanischen Comedian Jango Edwards, der eine
zentrale Rolle in den späteren "Tohuwabohu"-Folgen
spielte, startete Zenker ein kurze Karriere als Kabarettist:
Gemeinsam standen die beiden 1999 mit dem von Zenker
verfassten Programm "Dirty Old Men" im Wiener
"Vindobona" und in Innsbruck auf der Kleinkunstbühne.
Ab 1990 trat Zenker auch als Verleger in Erscheinung,
indem er den "Cabal-Verlag" gründete,
in der vornehmlich Zenkersche Kriminalromane erschienen.
Die letzte Buchveröffentlichung Helmut Zenkers
sollte der Kurzprosa-Band "Mondgeschichten"
sein, der schließlich wenige Wochen nach seinem
Tod im Jahr 2003 präsentiert wurde.
Zenkers Werk erhielt zahlreiche renommierte Auszeichnungen
und Preise - sowohl von Fachjuryseite als auch durch
das Publikum -, darunter der Adolf-Grimme-Preis (1985),
die Goldene Kamera (1980), die Goldene Romy (1993),
der Theodor-Körner-Preis (1974), der Kulturpreis
des Landes Niederösterreich in der Kategorie Dichtkunst
(1976) oder der Max-von-der-Grün-Preis für
Literatur zur Arbeitswelt. Wenngleich jeder Mensch gerne
Anerkennung erfährt, so hat Zenker derartiges nicht
überbewertet. Als der Grimme-Preis wenige Wochen
nach der Verleihung durch die Unachtsamkeit eines neunjährigen
Sohnes zu Bruch ging, blieb dies für den rasch
ermittelten Täter folgenlos.
Zenker
war immer ein höchst politischer Autor, aber kein
politischer Aktivist. Eher zufällig geschah es,
dass er sich 1999 dazu überreden ließ, bei
der Nationalratswahl für die KPÖ auf einem
vorderen Bundeslistenplatz und im Wahlkreis Wien als
Listenerster zu kandidieren - die Wahl brachte zwar
beachtliche Stimmenzugewinne für die KPÖ,
aber freilich keine Mandate. Etwa zur selben Zeit, 1998
bis 2000, war Zenker auch wöchentlich als Kolumnist
für die KPÖ-Zeitung "Volksstimme"
tätig. Nach der Jahrtausendwende, als in der KPÖ
der Konflikt zwischen revisionistischer Führung
und marxistischer Opposition eskalierte, sympathisierte
Zenker mit letzterer, die sich vor allem aus der damaligen
und inzwischen aufgelösten KPÖ Tirol, der
damaligen und heutigen KPÖ Steiermark und der damaligen
KPÖ Wien-Ottakring, die 2005 den ersten Kern der
neuen Kommunistischen Initiative (KI) bilden sollte,
zusammensetzte. Dies nicht deshalb, weil Zenker unbedingt
ein orthodoxer Vertreter des Marxismus-Leninismus war,
sondern eher deshalb, weil er ein Verfechter des proletarischen
Klassenstandpunktes war, wenngleich er diesen durch
Facetten seiner persönlichen Lebensführung
immer wieder konterkarierte - dies war nicht nur Ausdruck
so mancher individuell-persönlicher Schwäche,
sondern zum Teil auch eine Form sehr materieller Zenkerscher
Provokation. Tatsache ist jedenfalls, dass Zenker als
politischer Mensch, als Kommunist, den Zustand der KPÖ
oder überhaupt der österreichischen Linken
ebenso wie den Zustand der "real"-sozialistischen
Staaten nie kritiklos hingenommen hat. Aber Kritik bedeutet
bei Zenker weder Besserwisserei noch moralistische Abkanzelung,
sondern die Hervorkehrung des Widerspruchs als progressives
Element der Weiterentwicklung. Durchaus trat Zenker
für eine klassenmäßige Politik mit revolutionärer
Perspektive in Richtung klassenlose Gesellschaft ein,
die auf Basis ihrer eigenen proletarisch-revolutionären
Standpunkte, ihrer Moral und Kultur, zu erringen ist,
ohne dass man sich kapitulantenhaft bürgerlichen
Kategorisierungen unterwirft.
In
die KPÖ-internen Auseinandersetzungen konnte Zenker
schließlich nicht mehr direkt eingreifen - er
erlag im Wiener SMZ Ost in der Nacht vom 6. auf den
7. Januar 2003 im Alter von erst 53 Jahren einem zu
spät erkannten Nierenversagen. Helmut Zenker wurde
in einem Ehrengrab der Gemeinde Wien am Zentralfriedhof
(Gruppe 40, Nummer 89) beigesetzt.
Insgesamt hinterließ Helmut Zenker ein Werk von
rund 50 Büchern, an die 200 Kurzgeschichten und
Erzählungen, 9 Kinofilme und über 90 Produktionen
für das Fernsehen. Einige seiner Werke sind erst
posthum erschienen und wurden von seinen Söhnen
herausgegeben, so z.B. der historische Roman "Zünden
Bäume und Häuser an" (2006) oder die
Kurzprosa-Bände "Fabelhafte Fabeln" (2006)
und "Lügengeschichten" (2005). Viele
von Zenkers Büchern sind in den letzten Jahren
auch als Hörbücher erschienen.
Der heurige 60. Geburtstag Zenkers wird vom ORF-Fernsehen
zwar gekonnt übergangen, auf 3sat wird hingegen
am 14. Januar 2009 immerhin die "Kottan"-Folge
"So long, Kottan" gezeigt, wenngleich zu fortgeschrittener
Abendstunde (23.00 Uhr). Der Radiosender Ö1 sendet
am 10. Januar (14.00 Uhr) das "Kottan"-Hörspiel
"Hartlgasse 16a", das 1976 vom ORF NÖ
und vom bundesdeutschen SWF produziert wurde. Darüber
hinaus erscheinen jene sechs letzten von Zenker verfassten
Folgen von "Kottan ermittelt", die 1983 vom
ORF nicht mehr gedreht wurden, im Frühjahr 2009
als Hörspiele. Mit dabei sind mehrere Schauspieler
aus der TV-Serie, wie z.B. Lukas Resetarits, Franz Buchrieser,
Franz Suhrada, Bibiana Zeller oder Chris Lohner, "Kottan"-Regisseur
Peter Patzak verleiht dem Erzähler seine Stimme.
Eine
größere Würdigung erfährt Zenker
zu seinem runden Geburtstag auf der Theaterbühne.
Am 15. April 2009 hat am Wiener Rabenhoftheater eine
Bühnenversion von "Kottan ermittelt"
Premiere, die Zenkers Söhne Jan und Tibor besorgten.
Unter der Regie von Thomas Gratzer spielen u.a. Roman
Gregory, Reinhard Nowak, Rudi Roubinek und Doris Schretzmayer.
Und so findet das künstlerische Schaffen Helmut
Zenkers sechs Jahre nach dessen Tod endlich seinen nachgeholten
Abschluss. Auch wenn die lange Reise geografisch lediglich
aus der Brigittenauer Hartlgasse in einen Landstraßer
Gemeindebau führt, so ist es doch genau diese große
Welt der Wiener Arbeiterklasse, der Zenkers Werk ein
Denkmal im wörtlichsten Sinn setzt. Denn Zenker
hat niemals vorgefertigte Lösungen angeboten, sondern
Sichtbarmachung betrieben - und so lautete seine gesellschaftspolitische
Maxime: Selber denken! Um sodann selbst handeln zu können.
© Tibor Zenker, Wien, 9. Januar 2009
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